Vergleichsmessungen in Seibersdorf

 

Die Seibersdorfer TAWES lässt seit Jahren, fast schon Jahrzehnten immer wieder die Wogen hochgehen. Die sommerlichen Höchstwerte sind meteorologisch oft fragwürdig und dehnen dabei den Begriff der repräsentativen Temperaturmessung.

Vergleichsmessungen

Während die Höchstwerte für die Medienlandschaft ein gefundenes Fressen sind, ist die Station in der meteorologischen Szene mittlerweile stark verrufen. Gerne werden die Werte als unplausibel, fehlerhaft oder nicht repräsentativ abgestempelt. Die Station sei durch eine unpassende Platzierung verstrahlt, ein lokaler Hitzestau oder gar Fehlmessungen seien für die hohen Temperaturmaxima verantwortlich.

Um der Problematik endlich Herr zu werden, bedarf es Vergleichsmessungen an ausgewählten Standorten. Stammleser wissen bereits länger von zusätzlichen Messungen. Wieso solch ein Vorhaben nicht schon viel früher angegangen wurde, ist zu hinterfragen. Es wird aber vor allem am sehr hohen Aufwand liegen. Es braucht ein klares Messkonzept, passende Standorte und angepasste Messtechnik/Stationen.

Nach monatelangen Vorbereitungen gibt es seit Mai 2023 in Seibersdorf und Umgebung nun insgesamt drei Wetterstation der GSA. Bevor die ergänzenden Standorte in den Mittelpunkt rücken, noch ein Blick auf den aktuellen TAWES Standort und wieso bisherige Theorien eher Unfug sind.

Die Seibersdorfer TAWES

Gemessen wird in Seibersdorf bzw. im Forschungszentrum bereits seit den frühen 60er Jahren. Aufgrund des Atomreaktors war der Betrieb einer hochwertigen Wetterstation verpflichtend. Mit dem Aufkommen erster Mikroprozessoren in den 70er und 80er Jahren, wurde im Forschungszentrum die Entwicklung der späteren TAWES der 1. Generation vorangetrieben. Im Juni 1983 ging diese nahe dem heutigen Standort in Betrieb.

Mit der Umrüstung auf die 2. TAWES Generation im Jahr 2008, erfolgte eine leichte Standortanpassung. In den Jahren zuvor gab es nämlich vermehrt Probleme mit der Temperaturmessung. Anfang der 2000er Jahr wurde sogar die 40°C Marke überschritten. In der Messreihe ist dieser Wert heutzutage nicht mehr zu finden. Das damalige Zusammenspiel eines Metallcontainers und der dazugehörigen Klimaanlage sind dafür verantwortlich. Weitere Maßnahmen wurden nicht getroffen. Folgend ein paar visuelle Eindrücke der alten TAWES.

TAWES “alt” im Sommer 2000; Blickrichtung Süden

TAWES “alt” im Sommer 2000; Blickrichtung NW

Der heutige Standort liegt einige Meter südwestlicher. Nur die Entfernung zur Verbauung wurde dadurch etwas größer. Probleme wie die Baum- und Buschreihe Richtung Nordwest blieben gleich. Dazu wieder einige Fotos.

TAWES Seibersdorf “alt”; Blickrichtung Ost

TAWS Seibersdorf im Mai 2023; Blickrichtung Ost

Wettergarten im Herbst 2022, Blickrichtung Ost; 

Auf den ersten Blick sieht der Standort passend aus. Die Sensorik ist von jeglicher Verbauung mind. 30m entfernt und der grüne Anteil überwiegt. Wie so oft liegt der Fehler aber im Detail.

Temperaturanomalien

Die angrenzende Ansammlung an Bäumen und dichten Sträuchern steht genau in Hauptwindrichtung NW. Dahinter befindet sich neben weitläufigen Feldern nur die Bundesstraße. In der Regel nicht dramatisch, wenn da nicht die “besondere” Bodenbeschaffenheit wäre. Der Boden ist sehr steinig, die Humusschicht nur sehr dünn. Der Boden kann kaum Wasser speichern und ist meist sehr trocken. Bei NW-Wind stellt die Baumreihe den perfekten Windbruch dar und reduziert die bodennahe Durchmischung auf ein Minimum. Die Folge dürfte ein Mikroklima sein. Ein trockener, steiniger Boden erwärmt sich deutlich effizienter und kann im Sinne der Strahlungsbilanz auch schneller wieder abkühlen. Fehlt tagsüber die gängige Durchmischung, korreliert der überhitzte Boden mit der Lufttemperatur in 2m und es entstehen die allseits bekannten Seibersdorfer Rekordwerte.

Seibersdorf AIT

Entsprechend dieser Theorie wurden auch die zusätzlichen Standorte ausgewählt. Die Station “Seibersdorf AIT” steht 150m südwestlich der TAWES auf einer freien Wiese und unterscheidet sich nur durch eine passendere Umgebung. Keine Gebäude oder Baumreihen behindern die Durchlüftung des Wettergartens. Der Boden ist dem des TAWES Standorts gleichzusetzen.

Die Spannungsversorgung der Station übernimmt ein kleines 50W Solarpanel. Durch die Platzierung zehn Meter südwestlich der Station, ist ein Einfluss auf die Messung ausgeschlossen. Erfasst werden die Temperaturen in 2m und 5cm inklusive der Luftfeuchtigkeit.

Seibersdorf AIT; Blickrichtung SO

Seibersdorf Stadt

Die 2. Zusatzstation steht im Ortsgebiet von Seibersdorf auf einer freien Fußballwiese 1,5 km von der TAWES entfernt. Hier ist die Station insgesamt wieder etwas windgeschützter. Dafür ist der vorzufindende Boden weder steinig noch trocken, sondern humusreich und sehr feucht. Es werden dieselben Parameter wie im Fall “Seibersdorf AIT” erfasst.

Seibersdorf-Stadt; Blickrichtung Süden

Daten

Seit Mitte Mai läuft die Messkampagne und wird bis in den Spätsommer 2023 Daten liefern. Die ersten Wochen zeigen bereits ein deutliches Bild und bestätigen größtenteils die oben genannte Theorie. Bei der Kombination aus NW-Wind und frühsommerlicher Einstrahlung, ergibt sich ein gemittelter 2m Temperaturunterschied zwischen TAWES und Vergleichsstationen von 1,5°-2,0°C.

Auch die unterschiedlichen Böden sind in den gewonnen Daten klar erkennbar. An strahlungsintensiven Tagen erreicht die TAWES klar die höchsten 5cm Temperaturen, dicht gefolgt von “Seibersdorf AIT”. Nicht mithalten kann der Standort “Seibersdorf Stadt”. Zu Spitzenzeiten liegen in 5cm Höhe an die 15°C zwischen TAWES und Seibersdorf Stadt. In Strahlungsnächten sind die bodennahen Temperaturen im Forschungszentrum dank der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit etwas frischer, der Ort Seibersdorf kühlt insgesamt ineffizienter aus.

Vergleichsdaten vom 29.05.2023

Beim Anblick der Daten wird schnell klar, dass Seibersdorf wohl doch nicht der Hitzepol im Wiener Becken ist. Da in den nächsten Jahren diverse Bauprojekte rund um den TAWES Standort geplant sind, wird sich das Temperaturproblem noch verschärfen und nicht nur bei NW-Wind eintreten. Es ist daher naheliegend, dass der Wettergarten am aktuellen Standort bald der Geschichte angehören wird und das Kapitel “Seibersdorfer Hitzerekorde” zu Ende geht!

Für Interessierte sind die Daten laufend hier einsehbar. Die Grafiken bzw. Daten dürfen frei verwendet werden.