Projekt TAWES Kernhof 

KERNHOF – ein Ortsteil der Marktgemeinde St.Aegyd am Neuwalde. Die Gemeinde gehört zum Bezirk Lilienfeld und liegt tief in den niederösterreichischen Alpen. Bekannt ist die kleine Ortschaft heutzutage vor allem für sein Kameltheater, die weißen Tiger oder die Ausflugsziele Gippel und Göller. Bis 1988 hatte die Ortschaft sogar einen befahrenen Bahnhof. Die Traisentalbahn verkehrte damals regelmäßig bis Kernhof.

Auch meteorologisch ist dieses Gebiet hoch brisant. Seit Anfang Mai steht deshalb eine neue TAWES in Kernhof. Wie es dazu kam und welcher Aufwand hinter solch einer Stationserrichtung steckt, zeigt der folgende Blogeintrag.

 

Das ZAMG Messnetz in den NÖ-Alpen

Beim ersten Blick auf das TAWES Netz in den niederösterreichischen Alpen fallen sofort einige Defizite auf: die hohe Dichte am östlichen Rand und die große Lücke im zentralen Teil. Zusätzlich ergeben sich dank historischer Eigenheiten, teils unpassende Standorte wie zB. die Gutensteiner Station am Mariahilfberg, Lillienfeld am Tarschberg oder die Rax Bergstation. Die Standorte sind für ihr jeweiliges Einsatzgebiet nur sehr bedingt repräsentativ und gehören eigentlich neu positioniert. Dank der langen Messreihen ist eine Versetzung jedoch kein Thema.

Eine Netzkarte aus den 90er Jahren zeigt zudem ein brisantes Detail. Bis in das Jahr 2001 existierte, neben den heute bekannten Stationen, eine “Klimastation” in Schwarzau am Gebirge. Die Messreihe war ZA intern vor allem für tiefe Temperaturminima im Winterhalbjahr bekannt und hatte ihren Ursprung bereits um das Jahr 1900. Bei einem Blick auf die Lage der Ortschaft relativ zum umgebenden Relief, dürften auch Föhnwinde sehr interessant gewesen sein.

Eine Klimastation bezeichnete damals eine manuelle Wetterbeobachtung mit analogen Instrumenten in einer klassischen Wetterhütte. In einzelnen Fällen gab es zusätzliche Instrumente für Wind, Sonnenschein oder Bodentemperaturen.

Interessant sind in den NÖ-Alpen vor allem Stauniederschläge in fester und flüssiger Form, als auch Föhnwinde resultierend aus einer südlichen Anströmung. Weiters sind Temperaturmaxima bei Föhnlagen, sowie Temperaturminima bei winterlichen Strahlungsnächten mit Schneebedeckung von Relevanz. Einige dieser Parameter sind durch das aktuelle Messnetz durchaus gut abgedeckt. Nur der Faktor Föhn sticht bei keiner aktuellen Station heraus; ein deutliches Manko.

Vollständiges Stationsnetz (nicht nur TAWES) aus dem Jahr 1997

Wieso Kernhof ?

Bei Föhnstürmen denken die meisten Leuten (sicherlich auch viele Meteorologen) sofort an den westlichen Teil der österreichischen Alpen. Das Wipp- , Inn- , Salzach- oder Gasteinertal sind die gern genannten Föhnhotspots. Exponierte Stationen am Patscherkofel oder Feuersang halten diverse Föhnrekorde und schaffen es immer wieder in die Medien. Viele übersehen jedoch, dass es auch im östlichsten Teil des Alpenbogens prädestinierte Föhntäler gibt. Da kommt nun endlich Kernhof ins Spiel.

Im Lee des Göller-Gippel-Zugs gelegen, ermöglicht das Relief ein Heruntermischen der Höhewinde bis ins Tal. Der Gebirgszug liegt ziemlich genau normal gegen eine südliche Anströmung und muss so über- bzw. umströmt werden. Zusätzlich führt der Talverlauf bei Kernhof dazu, dass die Föhnwinde dank diverser Gap Flows weiter beschleunigt werden. Das Resultat ist eine beeindruckende Anfälligkeit für Föhnwinde und hohe Windgeschwindigkeiten bei passenden Wetterlagen. Gerade im Herbst ergeben sich in “Föhnnächten” oft starke Temperaturdifferenzen auf sehr engen Raum.

Außerdem liegt die Ortschaft auch genau in dem Gebiet, dass seit Ewigkeiten eine Lücke im TAWES Netz bildet. Bedenkt man weitere Faktoren wie die Stauniederschläge bei feuchten Anströmungen, ergibt sich ein passender und interessanter Standort für eine neue Station.

Folgendes Bild zeigt die Ortschaft Kernhof Blickrichtung Nord. Der visuelle Eindruck entstand am 1546m hohen Schnaltzenstein. Ein Berggipfel, südlich von Kernhof zwischen Gippel & Göller gelegen, der eine entscheidende Rolle beim Thema Föhn spielt. Die sehr spärliche Vegetation am Gipfel spricht bereits Bände über die Windverhältnisse. Richtung Süden ist die Spitze völlig exponiert.

Die obige Abbildung zeigt das Relief nahe Kernhof. Der rote Pfeil veranschaulicht eine (theoretisch) südliche Anströmung des Gebirgszugs.

Projekt TAWES

Der TAWES Kernhof gingen mehrere Testmessungen in und um die Ortschaft voraus. Dabei stand im Vordergrund den besten Standort für Wind, Niederschlag und Temperatur zu finden. Dem fachkundigen Leser wird klar sein, dass sich im Hinblick auf eine fixe Wetterstation in einem alpinen Tal die Standortsuche nicht gerade als leicht herausstellt. Die Parameter variierten oft stark und es ergaben sich vor allem bei Föhn extreme Unterschiede auf sehr kleinem Raum.

Ausgewählt wurden für Testmessungen neben einer bestehenden, privaten Wetterstation, noch zwei weitere Standorte die für eine TAWES grundsätzlich geeignet gewesen wären. Ein Idealstandort wäre wohl mittig im Ortskern zu finden, wo der Talverlauf in Richtung Gscheid Pass eine Kurve macht. Dort ist sowohl der Südföhn, als auch die NW- Komponente des Windprofils bestens messbar. Aufgrund der Grundstücksverhältnisse und der Bebauung war diese Möglichkeit aber leider nicht gegeben und es mussten andere Lösungen gefunden werden.

Folgende Skizze zeigt die Teststandorte vom Gippel aus gesehen.

Kernhof Analyse

Teststandorte in Kernhof (Bild in neuem Tab öffnen für besser Auflösung)

Neuaufbau einer Testmessung im Februar 2022

Die Standorte unterschieden sich vor allem beim Wind und nächtlichen Temperaturminima. Die Station “Reinthaler” fiel zwar durch ein sehr frühes Einsetzen des Föhnwinds auf. Auch der NW-Wind Einfluss ist deutlich höher als bei den anderen Standorten. Das unpassende Talrelief verhinderte jedoch hohe Föhnspitzen. Beim Faktor Föhn sind die Standorte Winkler bzw. Gstöttner deutlich zu bevorzugen. Eine Beschleunigung aufgrund des Talverlaufs ist dort naheliegend.

Die tiefsten Temperaturminima konnte immer der Standort Gstöttner vorweisen. Landwirtschaftlich genutzte Wiesen und ein nur leichter Geländeabfall in der unmittelbaren Messumgebung, begünstigen die Bildung von Kaltluft bzw. einem Kaltluftsee. Die Nähe zur Bundesstraße ermöglicht außerdem eine (für die Straße)repräsentative Temperaturmessung auf +5cm über Boden.

Der Parameter Niederschlag war bei allen Standorten in etwa gleich. Die Station Reinthaler konnte eine leicht erhöhte Gesamtniederschlagsmenge vorweisen. Ein Zusammenspiel aus mehr konvektiven Ereignissen und einer besseren Anstauung dank dem Relief sind vermutlich die Gründe.

Schlussendlich fiel die Auswahl auf den Standort Gstöttner. Der markante Föhneinfluss und die hochwertige Temperaturmessung waren die entscheidenden Faktoren. Außerdem ermöglicht der Standort eine leichte (technische) Umsetzung einer TAWES und wertet dank abgeschwächten Windeinfluss aus Nord bis Nordwest die Niederschlags- und Schneehöhemessungen etwas auf.

Die Arbeiten für die Station begannen bereits Anfang April. Am 06.05.2022 wurde die TAWES Kernhof schließlich fertig gestellt. Erfasst werden seither folgene Parameter:

      • Lufttempertur 2m + 5cm
      • Luftfeuchtigkeit
      • Luftdruck
      • Niederschlag
      • Niederschlagsdauer
      • Wind
      • Schneehöhe

Der Standort entspricht bei allen gemessenen Größen gängigen Normen. Vor allem Wind und Temperatur sind als sehr hochwertig zu betrachten. Bei Niederschlag und Schneehöhe könnte die freie Lage der Sensoren leichte Anomalien verursachen. Mit künstlichen Windbrüchen nahe der Sensoren, soll im Winterhalbjahr die Messung weiter verbessert werden.

Einige bildliche Eindrücke der Station nach der Fertigstellung bzw. während des Aufbaus.

Wettergarten der TAWES; Blickrichtung Süd

Wettergarten der TAWES + Windmast; Blickrichtung Ost

Bau des Fundaments für den Windmast im April 2022

Aufbau der Station im Mai 2022

Verkabelungsarbeiten im Mai 2022

Resümee

Die Station schließt somit eine weitere Lücke im TAWES Netz. Sie wird vor allem bei Föhnlagen eine größere Rolle spielen und den Faktor Föhn für den östlichen Teil der Alpen deutlich repräsentativer darstellen. Bei passender Anströmung(Schwerpunkt Nordost) ist auch für überraschende hohe Niederschlagsmengen gesorgt. Auch die Temperaturminima in Strahlungsnächten sind nicht zu unterschätzen.

Obwohl im Blogeintrag nicht jedes Detail beschrieben werden kann, wird der Leserschaft hoffentlich klar wie viel Aufwand hinter einer ZAMG Wetterstation steckt. Von der Planung und Durchführung der Testmessungen, über Analysen, Versuche, Wartungsarbeiten und dem finalen Bau der Station stecken hunderte Stunden an Arbeitszeit dahinter. Dieser Aufwand ist einer der Gründe, wieso das TAWES Netz der ZAMG die hochwertigsten Daten liefert und nicht so einfach mit anderen Messnetzen in AUT verglichen werden kann.

Nach dem Projekt ist bekanntlich vor dem Projekt…

Daher handeln die nächsten Einträge sehr wahrscheinlich von den Stationsprojekten Wolkersdorf, Stockerau und/oder von Details zur TAWES Temperturmessung. Auch das Waldviertel bleibt weiterhin ein Sorgenkind!

TAWES Schwarzau